Nachruf: Moshe Sharett ist Tot
   

Nachruf

 

Moshe Sharett ist Tot

 

Ein Artikel aus dem schweizerischen Israelitischen Wochenblatt (heute Tachles) aus dem Jahre 1965.

 

Nach Redaktionsschluß erreicht uns die Nachricht von dem am Mittwoch erfolgten Hinschied von Moshe Sharett nach längerer schwerer Krankheit. Der Tod dieses Mannes trifft das Volk von Israel in einer Zeit innenpolitischer Unrast, in der gerade sein vom hohen moralischen Gewicht seiner Persönlichkeit getragener Rat weiterhin vonnöten gewesen wäre.

Der Tod des Staatsmannes, Ideologen und Organisators Moshe Sharett bedeutet weit über Israel hinaus für die gesamte Judenheit einen schweren Schlag. Dies nicht allein, weil Sharett als Vorsitzender der Exekutive der Jewish Agency während der letzten Jahre, als Exponent der jüdischen Politik während der Zeit der Verfolgung, als Mitschöpfer des jüdischen Staates und als dessen erster Außenminister und zeitweise auch Ministerpräsident im ersten Glied der jüdischen Führung stand, sondern weil er für die Juden in aller Welt durch seine Person und seine Leistung einen Maßstab politischen Handelns auf dem Boden der ethischen Tradition unseres Volkes geschaffen hat.

Eine umfassend begabte Persönlichkeit, eine Vielzahl von Sprachen in Perfektion beherrschend, ein Verwaltungsfachmann mit hohen Ansprüchen an seine Mitarbeiter, ein Redner von Substanz und Wirkung, ein Diplomat mit reichen Erfahrungen — ist Sharett in der persönlichen Begegnung stets der teil­nehmende Gesprächspartner gewesen, der seinen Gedankenreichtum in produktiver Weise weiterzugeben verstand. Die Trauer in Israel und in der ganzen jüdischen Welt ist groß und tief.

Moshe Sharett (Shertok) wurde am 15. Oktober 1894 in Cherson (Ukraine) geboren, emigrierte 1906 nach Palästina und studierte in Istanbul und London. Er diente im Ersten Weltkrieg als Offizier in der türkischen Armee. Früh wandte er sich der Arbeiterbewegung zu und der Tätigkeit für die Zionistische Organisation und die Jewish Agency. In der Zwischenkriegszeit und dann während des Zweiten Weltkrieges und danach war er — in vielen Funktionen und auch unbeamtet — einer der repräsentativen Sprecher des jüdischen Volkes, nicht zuletzt auch bei den Verhandlungen um die Gewährung der staatlichen Unabhängigkeit. Neben seiner übrigem Tätigkeit war er Delegierter an verschiedenen Zionistenkongressen, Schriftsteller und Journalist, Mitbegründer der Tageszeitung «Dawar» und Verlagsleiter.

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